icon

 
Jakob Fugger war mächtiger als George Bush.

Politisch korrekt – aber grundfalsch – ist die Ansicht des Bildungsbürgers, dass sich zum Ende des Mittelalters, irgendwann zur Mitte des 14. Jahrhunderts, der schöne Geist einfach so über den gewohnten Mief erhoben hätte. Die Renaissance, das Zeitalter des frühen Kapitalismus, der Kunst, der neuen Wissenschaft, der Anfang vom Ende des Aberglaubens, all das fiel nicht vom Himmel, sondern war das Ergebnis von null Luft – im Wortsinn.

Die Entdeckung Amerikas, die Conquista, die frühen Bankiers, die Expeditionen in fremde Kontinente, die Erschließung der Welt - sie alle sind Wirkung, nicht Ursache, eines fundamentalen Ereignisses. Die risikofreudigste Epoche der Geschichte, erzählt Bernd Roeck, Historiker der Universität Zürich, beginnt im Jahr 1348, dem Jahr der Großen Pest. "Was da passierte, lässt sich schwer beschreiben und vergleichen. Um eine Vorstellung zu bekommen, was 1348 geschah, müsste man sich überlegen, welche Folgen ein flächendeckender Angriff mit Neutronenbomben auf Europa haben würde", sagt Roeck. Die modernen Massenvernichtungswaffen töten Menschen und Tiere – aber lassen Häuser und Fabriken, Büros und Anlagen unversehrt. Die Große Pest tötete zwei Drittel der europäischen Bevölkerung. Europa war dicht besiedelt, am Rande der Überbevölkerung. Was nach dem Grauen blieb, war, so erzählt Roeck, vor allem "ungeheuer viel Kapital. Das ganze Geld, der Besitz der Toten war übrig geblieben. Das führte zu gewaltigen Vermögensumschichtungen." Der Beginn der neuen Zeit ist eine Katastrophe. Was sie hinterlässt, verlangt dringend nach neuen Ideen. Visionen werden gemacht. Sie müssen gemacht werden, weil sonst auch die Überlebenden nichts mehr hätten, worauf sie bauen können.

Die verwaisten Vermögenswerte sind es, die die Banken der Medici formen. Ihre Macht, die sie in der Renaissance ausüben, gibt den Impuls an die großen Investoren weiter, an die Handelshäuser, die die Fugger groß machen. Jakob Fugger der Reiche war mächtiger als George Bush. Und er setzte, wie alle, die nach der Großen Pest die riesigen Vermögen neu ordneten, im großen Stil und mit hohem Risiko auf neue Entwicklungen, auf die Visionen ihrer Zeit. Alles auf der Grundlage der Pest.

Italien wird zur Heimat der neuen großen Investoren – Venedig, Verona, Bologna sind die Silicon Valleys von damals. Die Unternehmen sind alles andere als risikofrei. "Man braucht sehr viel Geld, um eine Galeere, mit der sich Handelsgüter aus dem Nahen Osten nach Venedig bringen lassen, auszustatten. Seide, Baumwolle und Gewürze bringen viel Geld – Gewinnspannen von 70, 80 Prozent – aber auch ein enormes Risiko. Deshalb beginnen die Venezianer, das Risiko auf Konsortien zu verteilen und entwickeln Versicherungen."
 

twoday.net AGB

powered by Antville powered by Helma